
Über den Top-of-the-World-Highway in Alaska zur "unserer" Last Frontier (letzte Herausforderung), dem Dempster Highway in Yukon und der Überquerung des Polarkreises bis zum arktischen Meer.
Unsere Reise geht weiter nach Tok, über die Tetlin Junction nach Chicken Richtung kanadische Grenze. Downtown Chicken klingt größer als es ist: eine Hand voll Menschen, ein Parkplatz, Hütten aus der Goldrauschzeit, die inzwischen zu einem Shop, einem Café und einem Saloon geworden sind. Und es gibt jede denkbare Hühnerwerbung. Wir verbringen dort eine Nacht auf dem Parkplatz und fahren dann über den Top of the World Highway nach Dawson City, 127 km, davon ca. 60 km raue Schotterstraße auf kanadischer Seite. Die Straße hat wegen der eindrucksvollen Streckenführung ihren Namen. Sie führt entlang einer Kammlinie mit weiten Ausblicken über das menschenleere Land. Ein einsamer Grenzübergang, der von Mai bis Mitte September nur tagsüber besetzt ist, entlässt uns von Alaska nach Kanada. Vorher müssen wir unser Feuerholz abgeben, denn das muss im jeweiligen Land verbleiben. Wir haben eine wunderbare grüne Landschaft vor uns mit vielen Teichen, Seen und den großen Flüssen Klondike und Yukon River. Zeitweise fahren wir oberhalb der Baumgrenze durch eine spektakuläre Tundra. Wenn sich die Bewölkung auflockert und die Sonne durchlässt, leuchten die verschiedenen Grüntöne im Wasser.
Nachdem wir mit einer Fähre über den breiten und heftig fliesenden Yokon River geschippert worden sind, befinden wir uns in Dawson City.
Dawson City, ursprüngliche eine Goldgräberstadt, ist bis heute in ihrem ehemaligen Flair erhalten. Als im Jahr 1896 an einem Zufluss des Klondike River Gold gefunden wurde, löste dies den sogenannten Klondike Goldrush aus. Über 100 000 Menschen sollen in der Hoffnung auf schnelles Geld den schweren Weg durch Wälder, Berge, Flüsse in eisiger Kälte auf sich genommen haben; nur 30-40 % der Menschen erreichten ihr Ziel. Der Ort wuchs 1898 auf über 30 000 Einwohner an. Wir sehen die kilometerweiten Geröllberge, die durch die Goldsuche aufgehäuft wurden. Inzwischen sind Goldsuchende verpflichtet, die Landschaft wieder herzustellen. Es wird gesagt, dass im Jahr 1900 die Ausbeute an Waschgold aus den Bächen des Yukon und Klondike 34 000 kg betrug. Heute werden jährlich in 140 aktiven Minen noch 1 600 kg Gold gewonnen - im Wert von ca. $ 60 Millionen.
Derzeit hat Dawson City, mit den sorgfältig restaurierten historischen Gebäuden, ca. 2 000 Einwohner. Die Menschen leben diese Stadt und sind nicht nur ein Kulisse für den Tourismus. Wir versorgen uns mit Lebensmittel, Wasser und ebenso das Auto für unseren weiteren Weg in die Einsamkeit, dem Dempster Highway, der uns morgen 740 km weiter nördlich des Polarkreises in die Stadt Inuvik führt. Abends gehen wir in Klondike Kate’s essen und wundern uns über verschiedene Schnitzelangebote, Spätzle usw., bis wir herausfinden, dass der Koch Deutscher ist.
Der Himmel ist grau, die Wolken hängen tief und der Dempster Highway durch den Regen glitschig. Heute eine Erd-/Steinstrasse um die Jahrhundertwende nicht mehr als ein Weg für Schlittenhunde. Erst im Jahr 1959 wurde mit dem Bau der Straße begonnen, allerdings nur 177 km weit. Der Ölboom veranlasste die kanadische Regierung im Jahr 1979 den Ausbau der Straße bis nach Inuvik im Mackenzie Delta in den Nordwest Territories. Der Dempster Highway ist eine der schönsten Wildnisstraßen der Welt. Die klimatischen Bedingungen sind ausgesprochen rau; die Temperaturskala reicht von -45 °C bis +35 °C.
Der Dempster Highway beginnt 40 km südöstlich von Dawson City. Ca. 70 km weiter nördlich erreichen wir mit dem North Fork Pass in 1289 m Höhe die Waldgrenze. Von dort aus sehen wir die Tombstone Mountains. Nach 400 km über die Oglivie Ridge und Eagle Plains ist der Polarkreis (Arctic Circle) erreicht. Danach steigt der Highway auf die Höhen der baumlosen Richardson Mountains. Am Scheitel des Gebirges wird die Grenze zwischen Yukon und dem Nordwest Territorium überschritten. Es geht weiter in das Mackenzie-Delta. Wir überqueren mit der Fähre den Peel River bei McPherson und später den breiten Mackenzie River bei Tsiicigehtchic. Die Fähren verkehren nur von Juni bis Oktober. Im Winter frieren die Flüsse zu; dann kann der Verkehr über die Eisbrücken fahren. Schließlich kommen wir nach Inuvik, dem Endpunkt des Dempster Highway. Wir sind drei Tagen über die nasse, holprige Schlamm-und Schotterstraße unterwegs. Das Auto ist mit einer dicken Schmutzschicht behaftet, unsere Schuhe ebenfalls; alles ist verdreckt und verstaubt. Oft sind wir lange Strecken völlig alleine unterwegs. Nachts finden wir in wunderbarer Einsamkeit mit grandioser Aussicht schöne Plätze zum Ruhen und Schlafen.
Soweit das Auge reicht sehen wir unberührte Natur: Flüsse, die durch die Landschaft mäandern, Teiche, umrundet von frischem hellen Gras, Seen, Blumenwiesen, Büsche und Sträucher in allen Grüntönen, Misch- und Tannenwälder die von Caribou’s (Rentiere), Moose (Elchen) und Bären bewohnt sind. Wir sehen Caribou’s und Moose in ihrem Lebensumfeld. Nach Bären halten wir vergeblich Ausschau. Natürlich gibt es Vögel und Kleintiere aller Art.
Nördlich des 66. Breitengrades (Arctic Circle) befindet sich das Land der Mitternachtssonne. Um die Mitternachtssonne zu erleben, sind wir zu spät dran, aber es ist auch jetzt, Ende Juli, immer noch lange hell. (Zwischen dem 25. Mai und 18. Juli geht die Sonne in Inuvik nicht unter. Zwischen dem 6. Dezember und 5. Januar gibt es kein Sonnenlicht)
Nach einer Pause in Inuvik fahren wir weiter 151 km nach Tuktoyaktuk, der letzte, über eine Straße erreichbaren Ort im Norden am arktischen Ozean.
Damit haben wir das anfängliche Ziel unserer Reise heute am 31.08.2019 erreicht – durch Amerika from South to North!
Wir krönen unseren Aufenthalt in dem kleinen Ort mit einem Besuch in Grandma’s Kitchen und essen Muktuk (Beluga) und wunderbaren frischen Fisch mit Pommes.
Nun stehen uns 900 km, eine mindestens 3-tägige Rückfahrt, nach Dawson City bevor. Stellt euch, ihr fahrt von Stuttgart nach Fehmarn auf dem Feldweg. Zurück in Inuvik legen wir einen Zwischenstopp ein und treffen erneut Brigitte und Peter mit ihrem Hund Oskar. Große Freude. Nach einem schönen gemeinsamen Abend trennen sich unsere Wege und wir machen uns auf den Weg zurück.
Wir fahren abwechselnd und genießen die Reise andersherum, zumal sich die Sonne zeigt und der Highway abgetrocknet ist. Auf den letzten 100 km vorm Ziel leuchtet im Display des Autos die Bremswarnleuchte auf. Ok, wir wussten dass die hinteren Bremsbelege nach Austausch schreien und nun ist der Zeitpunkt gekommen. Es gelingt uns weitgehend ohne zu bremsen vorwärts zu kommen. Gegen Abend landen wir in Dawson City und geben an der Waschanlage eine Menge Geld aus, um die Schlammschicht vom Auto zu waschen. Anschließend finden wir ein zweites Bimobil auf dem Übernachtungsplatz vor, allerdings in rot. Das kommt nicht so häufig vor und muss gebührend gefeiert werden, so dass wir abends noch lange mit Christine und Werner beim Bier in Klondike Kate’s sitzen.
Morgens scheint die Sonne, gutes Wetter um die hinteren Bremsen zu erneuern. Peter liegt unter dem Auto und Maria ist die beste Hilfskraft beim Heranreichen der Arbeitsmittel. Sicheres Aufbocken, doppelte Reifen runter, Bremsen entfernen, Kraftakt, neue Beläge einsetzen, andere Seite dasselbe... Bis 14:00 h ist es geschafft! Und es hat dabei nicht geregnet, was in dieser Stadt immer wieder passiert. Alles gut.
Kurze Info zu den Nordwest Territories:
Der Bundesstaat liegt im äußersten Nordwesten Kanadas mit einer Fläche von 1.346.106 qkm und nur 42 000 Einwohner, d.h. ganze 0,03 Menschen leben auf 1 qkm (zu Erinnerung: Deutschland hat 231 Menschen auf einem qkm).
Info’s zum Permafrost:
Das Erdreich im nördlichen Teil des Yukons und den Nordwest Territories ist permanent gefroren; am Demster Highway erreicht er bis 300 m Tiefe. Im Sommer taut lediglich die Oberfläche auf. Regenwasser und Schmelzwasser bleiben in Teichen und Seen nahe an der Oberfläche. Der Permafrost verursacht allerdings Schwierigkeiten beim Straßen- und Häuserbau. Aufgetaute Böden verlieren ihre Stabilität und geben unter Druck nach und man sieht immer wieder schiefe, abgesunkene Häuser. Um der Bodenerwärmung vorzubeugen werden Häuser auf Stelzen gebaut und Versorgungsleitungen oberhalb des Bodens in die Häuser geführt. Straßen werden nicht asphaltiert, sondern oberhalb der Vegetation geführt, teils mit Plastikschaum, wie auf dem Dalton Highway, als Termalschutz versehen und mit Schotter aufgefüllt.
Langsam kommt der Spätsommer. Laubbäume und Büsche bekommen vereinzelt braune Blätter. Die Blumen verlieren ihre Blüten, die Gräser werden braun und das Gras bekommt ein fahles Grün.
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